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Kooperationen I - Theater und Schule

  • ellenstork
  • 13. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Okt.

Im Vordergrund aller Bemühungen und Entwicklungen in der Kulturellen Bildung steht das Ziel „allen Kindern und Jugendlichen flächendeckend und nachhaltig Teilhabe an Kultur und Bildung zu ermöglichen.“[1] (BKJ 2015; 4) Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Partner:innen der Kulturellen Bildung. Schule kann alle Kinder und Jugendlichen erreichen und einen verlässlichen Zugang zu Kultureller Bildung bieten. Eine Verzahnung und Zusammenarbeit verschiedener Bildungsbereiche hat das Potential zu mehr Chancengleichheit in Bildung und Kultur beizutragen. „Wenn alle Bildungsbereiche miteinander zusammenarbeiten, gewährleisten sie verlässliche und zugänglichen kulturelle Bildungsgelegenheiten für alle Kinder und Jugendlichen. Kulturelle Bildung wird in diesem Sinner erst in Koproduktion möglich.“ (ebd.; 42)

Kulturelle Bildung in Schulen lebt von Kooperationen mit Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen. Aber Kooperationen sind bedingungsvoll. Welche Bedingungen braucht es, damit strukturelle und individuelle Kooperationen in der Kulturellen Bildung gelingen? Wo sind die Stolpersteine?


[1] Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ); 2015: Kulturelle Bildung ist Koproduktion – Außerschulische und schulische Kulturelle Bildung wirksam entfalten

Kooperationen zwischen Schule und Theater

 

Kooperationen zwischen Schule und Theater


Heute hat die Vermittlungsarbeit an Kulturinstitutionen einen hohen Stellenwert. Die meisten Theaterhäuser haben eine eigene Abteilung mit mehreren Theaterpädagoginnen und -pädagogen. Dies liegt zum einen an einem gewissen Legitimitätsdruck (Kunst allein scheint der Gesellschaft nicht mehr auszureichen) und zum Anderen an der Entwicklung der Ganztags- und der Kulturschulen und der damit einhergehenden wachsenden Bedeutung der Kulturellen Bildung.   

Kulturinstitutionen wie das Theater haben immer auch einen Bildungsauftrag und hier können sich Theater und Schule treffen – in der gemeinsamen Bildungsaufgabe. Auch wenn der Hauptzweck des einen Systems primär die Kunst und des anderen die Bildung ist, haben doch beide das übergeordnete Ziel junge Menschen zur kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe zu ermächtigen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit beider Institutionen und der Überwindung von institutionellen Grenzziehungen. Wenn Theater und Schule miteinander kooperieren, also inhaltlich und systematisch zusammenarbeiten, sich wechselseitig beeinflussen lassen, offen sind für neue Wege, können sie die Selbstreferentialität beider Systeme überwinden und zu einem neuen, gemeinsamen Bildungsverständnis kommen. Das ist vielleicht noch eher eine Möglichkeit als ein Anspruch, denn viele Hindernisse gibt es in der Alltagsrealität beider Systeme. Aber Möglichkeiten zu sehen, groß zu denken, zu erfahren das Realitäten veränderbar sind – gerade das können wir doch vom Theater lernen. Über Hindernisse bzw. Gelingensbedingungen in den Kooperationen zwischen Theater und Schule habe ich mit Jürgen Sachs und Michael Pietsch (Abteilung „Theater und Schule“ des Hessischen Landestheaters Marburg) sowie mit Sabine Koller (Referentin am Jungen Staatstheater Kassel) gesprochen. Ihre Sichtweisen werden im Folgendem einfließen.

„Das Entscheidende ist die Kommunikation, die klare, transparente Kommunikation und das im Gespräch bleiben und miteinander reden.“ 

Schulen brauchen Theater und Theater brauchen Schulen um allen jungen Menschen Zugänge zum Theater zu verschaffen. Um dies zu ermöglichen, bieten Theater viele verschiedene Formen der Zusammenarbeit an. Zentral sind dabei die Theateraufführungen und flankierende Maßnahmen sowie die Kontaktpflege zu den Lehrerinnen und Lehrern. „So eine Kooperation ist ein bunter Strauß mit vielen schönen einzelnen Blumen.“, sagt Jürgen Sachs und ergänzet, dass die Kooperationen immer individuell mit den einzelnen Schulen abgeschlossen werden, entsprechend der gemeinsamen Ziele. Sabine Koller wünscht sich mehr Zeit und Raum, um sich gegenseitig kennenzulernen. Es ist „wichtig, dass alle ein Verständnis vom jeweils anderen System erlangen. Wie funktioniert Theater? Wie funktioniert Schule? Und dabei funktioniert jede Schule anders. Es müsste also eine Art Kennenlernphase geben. Kolleg:innen aus der Schule kommen zu uns zur Führung und zu einem Workshop und andersherum…. Das Kennenlernen findet aber oft durch ein Informationsgespräch statt, in dem der Kooperationsvertrag und die Inhalte besprochen werden. Dann gibt es ein Gespräch mit der Schulleitung und die Vorstellung auf der Gesamtkonferenz. Manchmal werde ich zu einer Gesamtkonferenz eingeladen und darf dort 5 Minuten reden. Es ist oft so, dass man in eine Verkaufsposition kommt, weil die Schulleitung die Kooperation attraktiv machen will. Aber wir sind keine Dienstleister, unser Fokus sind die Schülerinnen und Schüler.“ Ja, denke ich da und muss mir an die eigene Nase fassen, weil wir seit Langem kein Kooperationsgespräch mehr in Ruhe geführt haben, weil in der Vorbereitung von Klassenzimmerstücken verwundert gefragt wird, warum wir keine Tafeln mehr haben, weil Kolleg:innen mich fragen, an wen sie sich denn im Theater wenden können, weil sie die Personen nicht kennen. Eine Kooperation muss lebendig und nah sein, der persönliche Kontakt ist enorm wichtig. Und dafür sind beide Seiten verantwortlich. „Das Ideal einer Zusammenarbeit steht und fällt mit dem Kontakt zu den Schulen ins Kollegium hinein, d.h. mit der Schulleitung und mit den Kontaktlehrer:innen. Aber du musst auch präsent sein in den Konferenzen, also du musst die Leute kennen und die Leute müssen dich kennen. Ein Vertrauensverhältnis ist da unbedingt notwendig. Dann ist die Hemmschwelle nicht so groß den persönlichen Kontakt zu suchen. …Man kennt sich, man weiß über Abläufe Bescheid und weiß was geht oder was geht nicht, gegenseitig.“, sagt Michael Pietsch. Der Kontakt ins Kollegium hinein scheint mir ein Schlüssel zu sein. Es geht um Sichtbarkeit, um Nahbarkeit und Vertrauen. Nachdem Michael Pietsch persönlich bei uns beim Pädagogischen Tag war, haben mich mehrere Kolleg:innen angesprochen und nach der Zusammenarbeit mit dem Theater gefragt. Kooperation braucht Gesichter, Menschen die sagen „Das bin ich und wenn ihr eine Frage oder ein Anliegen habt, ruft mich an.“ Auch das gilt für beide Seiten. „Kooperationen entstehen beim Machen.“, sagt Sabine Koller. „Man muss vorbereiten, nachbereiten, regelmäßige Gespräche führen. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Hindernisse gibt es immer dann, wenn es keine Zeit für vorbereitende Gespräche gab. Beide Seiten müssen sich viel mehr Zeit für geplante Gespräche nehmen.“ Und auch Jürgen Sachs sagt: „Das Entscheidende ist die Kommunikation, die klare, transparente Kommunikation und das im Gespräch bleiben und miteinander reden.“ Da ist es wieder – miteinander reden. Kooperation ist Kommunikation. Das kostet Zeit, die man sich nehmen muss. Ressourcen gibt es dafür meist nicht. Sabine Koller sagt: „Feste Ansprechpersonen sind für uns wichtig. Und es ist wichtig, dass diese auch Ressourcen für die Kooperation haben. Aber viel der außerschulischen Arbeit besteht aus persönlichem Engagement.“ Das ist leider richtig und hat leider nichts mit struktureller Zusammenarbeit zwischen zwei Institutionen zu tun. Es kann und darf nicht sein, dass diese am Engagement von  Einzelpersonen hängt. Dies ist eine Frage von Ressourcen, von struktureller Verankerung, von Steuerung seitens der Schulleitungen und der Bedeutungszumessung der Zusammenarbeit. „Das ganz Entscheidende ist, mit welcher Person ich in der Schule zu tun habe. Wenn es da mal einen Wechsel gibt, kann sich in die eine, wie in die andere Richtung verdammt viel ändern.“, sagt Jürgen Sachs. Kooperationen von Institutionen werden über die persönlichen Beziehungen von Fachkräften aufrechterhalten. Sie, die Schnittstellenakteur:innen oder Vermittler:innen haben eine wichtige Brückenfunktion. Sie verfügen nicht nur über fachliche Qualifikationen, sondern sie kennen die Systeme und halten den Informationsfluss zwischen den Systemen am Laufen. Und wenn eine solche Fachkraft wegbricht, kann sich viel ändern. Aber wenn eine Kooperation strukturell verankert wäre und von mehreren Personen getragen würde und wenn es Ressourcen dafür gäbe, dann könnte ein Wechsel einer einzelnen Person die Kooperation weder gefährden noch ermöglichen. Sie könnte höchstens neue Ideen einbringen und neue Möglichkeiten aufzeigen. Und dann wäre auch eine kontinuierliche Zusammenarbeit gesichert, die Jürgen Sachs als wichtige Gelingensbedingung beschreibt. „Neben der Kommunikation, ist die Kontinuität das A und O des Ganzen. … Es bedarf einer langfristigen Kommunikation, Kooperation und eines Vertrauensverhältnisses. Das muss man über viele, viele Jahre aufbauen.“   

Da ich an der Richtsberg Gesamtschule an einer Kulturschule arbeite, hat es mich in meiner Arbeit bestärkt, dass Sabine Koller hier einen großen Unterschied in den Kooperationen sieht. „Wenn ich hier an den Kulturschulen arbeite, dann hat die gemeinsame Arbeit in der Kulturellen Praxis Priorität. Ich finde hier eine kooperative Haltung. Kulturelle Bildung ist an diesen Schulen im Kollegium verankert und ich kann mit allen Lehrkräften in allen Fächern arbeiten. Kulturschulen können sich leichter von Stundenrastern lösen und sind zeitlich flexibler. In der Regel können die Lehrkräfte ihre Bedarfe gut kommunizieren, sie wissen um die Wichtigkeit von Kommunikation. Nur dadurch, durch konstruktive Rückmeldungen kann sich die gemeinsame Arbeit weiterentwickeln.“

Was nehme ich aus den Gesprächen mit?

Für mich als Schnittstelleakteurin in der Schule scheinen zwei Bedingungen grundlegend für eine inhaltlich-systematische Kooperation zwischen Theater und Schule: regelmäßige Kooperationsgespräche und die Verankerung auf Leitungsebene. Durch regelmäßige Kooperationsgespräche können wir einen Rahmen schaffen, in dem wir unsere Kooperation reflektieren und gemeinsam weiter entwickeln, in dem wir unsere Motivation und Ziele formulieren und gemeinsame finden, in dem wir über Rahmenbedingungen und Intensität sprechen und in dem wir inhaltlich zusammen arbeiten und vielleicht neue Wege gehen und die institutionellen Grenzziehungen überwinden. Auch Möglichkeiten für das Kennenlernen der Systeme zu kreieren, wäre ein Punkt für ein Kooperationsgespräch. Die Bedeutung von Kommunikation wurde immer wieder hervor gehoben. Aus meiner Erfahrung ist dies nur durch regelmäßige Gesprächstermine möglich. Sonst bleibt es vom Engagement einzelner abhängig. Um Kooperationen nicht zur Aufgabe Einzelner zu machen, sondern strukturell und inhaltlich zu verankern und so eine Kontinuität zu gewährleisten, bedarf es der Verankerung auf Leitungsebene. Letztlich entscheidet die Leitungsebene über die Bedeutung von Kooperationen, über Ressourcen, über Unterstützungsstrukturen und spielt eine wichtige Rolle bezüglich Anerkennung und Sichtbarkeit der Kooperationspartner:innen.

Ich danke Jürgen Sachs, Michael Pietsch und Sabine Koller für die anregenden Gespräche.



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